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Freitag, 12. Februar 2016

Madeleine Delbrel - Pionierin und Praktikerin in der Zeit der Säkularisierung

In den letzten Tagen habe ich das Buch von Madeleine Delbrel Gott einen Ort sichern gelesen. Aufgrund der Thematik und der einmaligen Art und Weise wie Delbrel schreibt, habe ich das Buch innerhalb von zwei Tagen verschlungen.

Delbrel: Pionierin und Praktikerin in Zeiten der Säkularisierung

Delbrel lebte von 1904-1964 in Ivry in der Nähe von Paris, wo sie eine kleine Gemeinschaft gründete die als eine verortete Gemeinschaft die atheistische Umwelt und die zunehmende Säkularisierung durchlebte. Sie schreibt:
In Frankreich hat die Trennung von Kirche und Staat dazu geführt, dass öffentliche Angelegenheiten eine Sache des Staates sind (...)
Wovon Lesslie Newbigin schrieb, als er von seiner Missionstätigkeiten in Indien zurückkehrte, ist in den Praxiserfahrungen von Delbrel greifbar. Delbrel erkannte auch sehr schnell, dass die kirchliche Entwicklung in diesem Zuge eine falsche Richtung einschlug:
Das kommunistisch-atheistische Milieu wurde als eine Gefahr für den Glauben betrachtet, der gegenüber es sich abzugrenzen galt.  DELBREL 2015:108
Delbrel widmete sich jedoch nicht der Aufgabe die damalige Kultur und den gesellschaftlichen Wandel soziologisch und politisch zu analysieren, sondern zeigt eigentlich, wie ein christliches Leben unter diesen Bedingungen geführt werden kann. Sie ist eine Pionierin und Praktikerin, die sich zur Aufgabe gemacht hat, das Leben wie es ist anzunehmen und in allen Dingen Gott zu sehen, ihm zu dienen und dem Evangelium treu zu sein (und das vor ungefährt 65 Jahren). Sie schreibt:
So ist unsere Berufung ein Feuer zu sein, das sich in kleinen Funken versprüht und alles anzündet, was ihm unterwegs an Brennbarem begegnet.  DELBREL 2015:50
Trotz der zunehmenden Säkularisierung und dem atheistischem Umfeld, hat sie Hauptamtliche und Laien stets dazu aufgerufen "(...) nach neuen Weisen der Evangelisierung suchen zu müssen." Ihr ging es darum, die "(...) ursprüngliche missionarische Dimension wiederzufinden, "Missionare ohne Schiff" zu werden - vor der eigenen Haustür und im eigenen Lebensumfeld." (:109) Eine atheistische Umgebung stellt uns vor die Wahl, entweder zu missionieren oder zu demissionieren, den Glauben zu verkündigen, oder zu gehen. Delbrel steht für den Optimismus, für den Glauben und die Treue ihre Aufgaben im Hier und Jetzt zu leben und zu vertrauen, dass der souveräne Gott auch in diesen Zeiten seine Geschichte schreibt. "Eine atheistische Umgebung muss christianisiert werden." (Delbrel 2015:114) schreibt sie.
Delbrel ist es gelungen ein dualistisches Bild zu überwinden und nicht zwischen profan und sakralen Orten zu unterscheiden. Gott ist in der Welt, so wird jeder Ort zu einem Ort des Dienstes, zu einer spirituellen Erfahrung und einem heiligen Spielfeld der Mission Gottes.

Eine wahrhaft inkarnatorische Gemeinschaft

Delbrel und ihrer Gemeinschaft war es wichtig unter den Menschen zu sein. Die Gemeinschaft wurde von der Realität geformt, weshalb sie jeder Zeit zum Aufbruch und jeden gesellschaftlichen Wandel bereit waren, "(...) um uns im gleichen Rhythmus wie die menschlichen Entwicklungen zu entwickeln." (:88)
Der Gehorsam bedeutet für uns Leute von der Straße auch, dass wir uns den Trends unserer Zeit anpassen, solange sie harmlos sind: Wir tragen das, was alle tragen, tun das, was üblich ist, sprechen die Sprache, die alle sprechen. DELBREL 2015:74
Ein solches Leben ...
(...) mitten unter den Menschen zu leben, in einer Lebensform, die sich rein äußerlich gesehen nicht vom Leben der "Leute von der Straße" unterscheidet.  DELBREL 2015:81 
Den besonderen Wert eine solchen "inkarnatorischen" (inkarnatorisch ist meine persönliche Zufügung zur lebendigen Gemeinschaft Delbrels) Gemeinschaft, die in vollkommener Liebe gelebt wird (...)
(...) ist wie ein Streichholz, auf das man kaum verzichten kann, wenn man ein Feuer anzünden will unter den Menschen, die uns umgeben.  DELBREL 2015:83 
Das Evangelium verkündigen und kontextualisieren

Unter Verkündigung versteht Delbrel:
Menschen, die das noch nicht wissen, sagen, wer Christus ist, was er gesagt hat, was er getan hat - und zwar auf eine Weise, die sie verstehen können.  DELBREL 2015:116
Delbrel war eine Frau die ihre Kultur und deren Menschen kannte. Diese Kenntnis ist sicher ein Produkt ihrer Präsenz, ihres Daseins in mitten dieser Welt.
Es handelt sich um Leute, die - ob sie nun getauft sind oder nicht - mit dem Evangelium nicht in Berührung gekommen sind und nicht wissen, was ein glaubender Mensch glaubt. Es handelt sich um die, von denen Paulus sagt: "Wie sollen sie glauben, wenn man sie nicht evangelisiert?"
Das evangelisieren ist bei Delbrel jedoch nicht auf das reine Wort und die Frontalverkündigung zu reduzieren. Wenn Delbrel von evangelisieren spricht, muss dies in der stetigen Präsenz, Identifikation und Nähe zu ihrem Umfeld gesehen werden. Sie war als Frau "Missionary to the West", die den Wandel der Gesellschaft erkannte, und von ganzen Herzen in diese Gesellschaft eintauchte, um in ihr das Evangelium zu pflanzte.

Bekämpfung von Not und Ungerechtigkeit als Aufgabe des christlichen Lebens

Die jeweilige prophetische Kritik am gesellschaftlich-politischen Zeitgeschehen war für Delbrel eine Notwendigkeit, wenn man dem Evangelium treu sein wollte. Sie hatte eine starke Wahrnehmung des Elends, es ging ihr fast wörtlich unter die Haut (vgl. Matthäus 9,36). Die Nachfolge Jesu muss sich im Kampf gegen Elend und Unrecht konkretisieren. Nach Delbrel sind Christen zur prophetischen Kritik aufgerufen (:95).
Kann man allen Ernstes und mit wirklicher Hoffnung auf Erlösung der Welt hoffen, ohne leidenschaftlichen Herzens das Unrecht in der Welt und seine Folgen enden sehen zu wollen (...)  DELBREL 2015:102 
Delbrel engagierte sich leidenschaftlich für die Benachteiligten und denen die am gesellschaftlichen Unrecht leiden. Sie sah aber auch die tieferen Probleme, wo es um die "(...) Entlarvung der Sünde, die sich auch in Unrechtsstrukturen niederschlägt" (:96) handelt.

Kritik an der Kirche

Die Krise der Kirche Europas definierte Delbrel sehr treffend:
Lautlos naht der Kirche eine Grundgefahr: die Gefahr einer Zeit, einer Welt, in der Gott nicht mehr geleugnet, nicht mehr verfolgt, sondern ausgeschlossen, in der er undenkbar sein wird; einer Welt, in der wir seinen Namen herausschreien möchten, es aber nicht können, weil uns kein Plätzchen bleibt, um unsere Füße hinzustellen.  DELBREL 2015:154
Daher muss die Kirche, und es ist ihre Verantwortung, einen neuen Einklang zwischen den Menschen und den Glauben suchen, zwischen Evangelium und Kultur (vgl. Newbigin). Des Weiteren muss die Kirche stetig neue Formen annehmen (kirchlichen Kontextualisierung). Die Form ist wie ein Kleid. Wenn die Zeiten sich wandeln, ist ihr Gewand abgetragen. "Sie muss neue Kleider bekommen (...)" (:154). "Dabei sind wir nicht gezwungen anders zu glauben, sondern anders zu leben" (:155)!
Eine weitere Problematik sieht Delbrel darin, dass der Glaube zu einer Wohlanständigkeit geworden ist. Damit bezieht sie sich auf die innere Spiritualität und Lebendigkeit:
Ein Glaube, den wir zu einer "Wohlanständigkeit" haben werden lassen, beschränkt sich in uns auf eine rein menschliche Mentalität. Wir können ihn anderen nicht mehr als Menschen vermitteln, die einen Schatz umsonst erhalten haben und ihn teilen möchten ... Wir verkündigen nicht mehr die "Gute Nachricht" des Evangeliums, weil es keine neue Nachricht mehr für uns ist: Wir sind daran gewöhnt, es ist eine alte Nachricht geworden. Der lebendige Gott ist kein ungeheures, umwerfendes Glück mehr; er ist etwas, was uns zusteht, der Hintergrund unseres Daseins.  DELBREL 2015:123
Delbrel, Gott einen Ort sichern, spricht daher aktuell in unsere Zeit und gibt als Praktikerin in einem säkularisierten Umfeld eine praktische Antwort um Evangelium und Kultur in Beziehung zu bringen und neue Wege zu den Menschen zu finden, die vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben.

Zum Schluss:
O Gott, wenn du überall bist, wie kommt es dann, dass ich so oft woanders bin.  DELBREL 2015:57 


Ich bin mir bewusst, dass die Auswahl und Zusammenstellung der Zitate nicht ohne individueller Wertung geschehen kann. 

Samstag, 9. Januar 2016

Wo gehen wir hin und wer werden wir sein? Gedanken zu den aktuellen Entwicklungen

Es scheint mir so, als ob unsere Gesellschaft eine der entscheidensten Veränderung seit langem erlebt. Eine Zeit die uns enorm herausfordert uns selbst zu finden und zu verstehen. Ich bin 32 Jahre alt und glaube die erste und wichtigste gesellschaftliche Veränderung mitzuerleben. Und die Frage ist: Was wird sie mit uns machen?
Im Internet kreisen Artikel und Einträge rund um die Themen Homosexualität, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus und Extremismus, - und ich frage mich, in welch einer Welt werden meine Kinder aufwachsen? Jedenfalls nicht in der Welt, die ich bisher gekannt habe. Einer Welt in der alles in Ordnung zu sein schien. Beziehungsweise einer Welt, einer Gesellschaft, die sehr autonom entwickeln konnte. Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, wenn ich die Medien betrachte und in den Straßen unseres Landes spazieren gehe. Und ich frage mich, wer werden wir sein? All diese Veränderungen führen uns zu dem Punkt, dass wir nicht weiter mit plumpen Antworten und starren Meinungen weiterkommen werden, wie zum Beispiel zum Thema der Homosexualität und der Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserer Gesellschaft. Auch als konservative brauchen wir den Mut und die Bereitschaft einen langen Weg in diesen Themen zu gehen. Es wird nicht länger funktionieren zurück zu blicken und das alte bewahren zu wollen. Vielmehr müssen wir das Neue erkennen, verstehen und eine lernende Gesellschaft werden. Dies scheint mir der momentan einzigste gangbare Weg zu sein. Dies gemeinsam mit anderen Kulturen zu tun, anstatt Fremdenfeindlichkeit zuzulassen und zu tolerieren ist Segen und verändert unsere Welt. Es ist die Frage wer wir sein werden? Was wird unsere Identität sein? Wenn ich so manche Statements im Internet lese, stimme ich Richard Rohr zu wenn er schreibt:

Es scheint, dass wir schneller eine negative Identität finden können, als gänzlich ohne Identität auszukommen. (Rohr 2012:98)
Ich hoffe sehnlichst, dass wir eine Reise zu uns selbst wagen, die die anderen im Blick hat um so eine gemeinsame Gesellschaft zu werden. Das gilt auch uns Christen die sich in all dem entdecken und verstehen müssen. Die Gesellschaft wie wir sie kennen wird nicht mehr existieren und wir müssen uns zwangsläufig mit anhaltenden starken Veränderungen auseinandersetzen. Meiner Überzeugung nach ist es in solchen Zeiten wichtig, dass wir zusammenrücken, anstatt Grenzen zu ziehen. Die Kirchen unseres Landes, seien sie landes- oder freikirchlich, müssen sich mit einer internen Wachstumskrise auseinandersetzen. Wir brauchen uns diesbezüglich nichts vormachen oder schönreden und viele Gemeinschaften und Verbände versuchen auf diese Krise eine Antwort zu finden. In diesen Zeiten brauchen wir Teams, keine Spaltungen. Wir brauchen vereinte Kräfte, keine Macht und Streitkämpfe. Nach meiner Meinung ist der Weg Jesu ein anderer als ich es bisher durch Social-Media und andere Medien und Zeitschriften erlebe.
Wenn Gott oder Jesus nicht gehässig, gewalttätig, strafend, peinigend oder rachsüchtig ist, dann ist auch uns jede Entschuldigung dafür genommen. (Rohr 2012:100)
Worauf möchten wir aufbauen? Ich wünsche mir sehnlichst, dass wir uns auf den Wandel unserer Gesellschaft einlassen und gemeinsam lernen ohne fertige Antworten vorauszusetzen. Dies bedeutet auch ein gesundes Maß an Selbstkritik. Wir müssen als Kirche die Bereitschaft haben Gottes Maßstäbe für unsere Gesellschaft mit der Zeit zu verstehen und zu leben und Korrekturen auf unsere Reise einzubauen. Das kann aber nicht darin bestehen, starre Dogmen als Mauern zu errichten, sondern fragend vor Gott sie in die Gesellschaft zu tragen. Wenn wir uns nicht auf diesem Wandel einstellen und nicht bereit sind zu einem Abstieg und zur wirklichen Demut, wir das kommende Jahrhundert vor dem wird stehen, für uns ziemlich unerfreulich werden. 
Man kann nur auf das Leben aufbauen und auf etwas, wofür man steht, nicht auf etwas, gegen das man ist. (Rohr 2012:62)
Diese in diese Gesellschaft tragende, geduldige und demütige Haltung ist bereits ein Akt der Mission, der wie auch an anderen Stellen einen nötigen Wechsel im Missionsverständnis fordert. Dort wo wir anfangen mit unserer Kultur zu interagieren und fragend vor Gott diese Fragen bewegen, berührt sich Gesellschaft und Evangelium. Wenn wir dies als vereinte öffentliche Kirche tun und laut das Evangelium in die Gesellschaft sprechen, glaube ich sind wir ein Licht in einer gespaltenen Gesellschaft.

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Saltatio Mortis: Willkommen in der Weihnachtszeit

Passend zur Weihnachtszeit bin ich auf den Songtext von Saltatio Mortis "Willkommen in der Weihnachtszeit" gestoßen. Macht nachdenklich...

Der Sommer ist noch nicht zu ende, 
es ist so weit, ich raste aus, 
denn an jeder Straßenecke brüllt 
"Hohoho" ein Santa Claus. 
Der Supermarkt gleich um die Ecke 
wirbt mit Weihnachtsgesteck, 
Mit Christbaumkugeln und Lebkuchen, 
Nikoläusen und Gebäck. 
Der Weihnachtsmann trinkt Coca-Cola, 
in der Tat, man glaubt es kaum. 
Wir feiern heut' das Fest der Liebe 
munter unterm Sündenbaum.
Hohoho, ihr lieben Kinder, 
hohoho, es ist so weit. 
Vor uns liegt das Fest der Liebe, 
willkommen in der Weihnachtszeit.
An grüner Tanne hängt der Apfel 
wie dereinst im Paradies, 
eine rote runde Sünde, 
die nicht nur Genuss verhieß. 
Wie feiern Jul und Sonnenwende, 
die Geburt von Gottes Kind, 
doch wirklich wichtig, wissen alle, 
nur die Geschenke sind.
Hohoho, ihr lieben Kinder, 
hohoho, es ist so weit. 
Vor uns liegt das Fest der Liebe, 
willkommen in der Weihnachtszeit. 
Hohoho, ihr lieben Kinder, 
hohoho, es ist so weit. 
Draußen sind noch dreißig Grad, 
doch im Supermarkt ist Weihnachtszeit.
Lustig klingeln froh die Kassen 
und endlich sehe ich den Sinn: 
Weihnachten, das Fest der Liebe 
ist gut für den Gewinn.

Montag, 21. Dezember 2015

Maurice Halbwachs: Wenn wir neu ansetzen müssen! Erinnerung und gegenwärtiges Bewusstsein - Eine Herausforderung für das Christentum!

Maurice Halbwachs (französischer Soziologe und Philosoph) beschreibt in seinem Buch Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen die Bedeutung des Gedächtnis in Bezug auf die Entwicklung einer Gruppe oder Gesellschaft. In einem besonderen Kapitel geht er auch auf Das Kollektivgedächtnis der religiösen Gruppen ein.
Maurice Halbwachs weist berechtigter Weise darauf hin, dass das Bewusstsein der Gegenwart den ersten Christen näher war, als die Erinnerung an die Vergangenheit. Dies war vermutlich auch der Grund, warum sie die damalige Gegenwart in Verbindung mit dem Evangelium zu bringen vermochten, denn "(...) das christliche Gedächtnis fand um sich herum, selbst außerhalb der religiösen Gruppen, eine Menge von Gegenständen, die unaufhörlich seine Erinnerungen wachrief und belebte." (Halbwachs 1985:264). Das darauf folgende und heutige Christentum, ist überwiegend erinnerungsbezogen was in einer Post-christlichen Gesellschaft mehr und mehr zu einem Problem wird. Wie wollen wir die Menschen an was erinnern, wenn ihnen dieses christliche Gedächtnis abhanden gekommen ist, bzw. befremdend erscheint, weil ihnen der Bezugsrahmen fehlt?
Die ersten Christen lebten noch sehr nah an den jüngsten Ereignissen der damaligen Zeit. Alles war sehr frisch und man erwartete, dass Christus bald wieder kommt. Das Evangelium hatte direkt etwas mit ihrem natürlichem Umfeld zu tun, aus denen sie alle kamen. Sie verstanden sich als die eklessia, Gottes Volk und Nachfolger Jesu. Sie waren in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt - lebten aber mit dieser Welt und verstanden sich als Teil dieser Welt und lebten ihre Sendung nach dem Vorbild ihres Gründers in räumlich voneinander getrennten Gemeinschaften. Diese (...)
(...) wundern sich nicht, beunruhigen sich nicht und regen sich nicht drüber auf, daß die Glaubensgehalte von der einen zur anderen Gemeinschaft nicht übereinstimmen und daß der Glaube von heute nicht genau der gleiche wie der von gestern ist. Sie haben genug damit zu tun, die Ungläubigen zu bekehren, und sie suchen viel eher ihren Glauben zu propagieren, als sich mit den anderen christlichen Gemeinschaften ins Einvernehmen zu setzen. Aber verhält es sich nicht ebenso mit dem kollektiven Denken, wenn es mehr auf das Leben als auf die Erinnerung bedacht ist? Wir sind so sehr an die gegenwärtigen Formen der Liturgie und des Dogmas, der Hierarchie und der Kirchenzucht gewöhnt, daß wir einige Mühe haben zu verstehen, wie sehr die christliche Kirche, die sich jetzt so klar von der säkulären Gesellschaft unterscheidet, damals in sie verwoben war, oder vielmehr, wie wenig sie noch von ihr getrennt war, wie viele Vorstellungen von der einen zur anderen umliefen und wie wenig Strenge und Formalismus man in der Praxis der Religion und der verschiedenen Kirchenfunktionen anwandte (...) das Privatleben der Alten war völlig von Religion durchdrungen.  HALBWACHS 1985:263f
Als Gemeinschaften müssen wir diesen in den Anfängen dominierenden "Drive" wiederentdecken und lernen in einer veränderten Gesellschaft zu leben, die Ereignisse unserer Zeit in Verbindung zu setzen mit dem Evangelium und die Mission Gottes dahinter erkennen. Wir müssen Lernende werden und die Offenheit haben die Hände aufzutun, anstatt uns an der Vergangenheit zu klammern und die Erinnerung an Dogmen und Liturgien in unserer Gesellschaft vorauszusetzen.
Licht-Kontrast
Gemeinden müssen inkarnatorischer werden. Das bedeutet nicht nur, sich als Gemeinde nach außen zu bewegen und das Leben mit den Menschen zu teilen und Kirche genau dort zu bauen. Es bedeutet darüber hinaus, und dies ist ein wesentlicher Aspekt des Ganzen, das kulturelle "Spiel" zu kennen und sich darin einzubringen und inkorporierend Teil dessen zu sein was da ist, ohne seine eigene Identität zu verkennen, denn diese beiden Dinge schließen sich nicht unbedingt aus. Die christliche Identität ist eine enorm heilsame und verändernde Kraft in mitten der Gesellschaft und deshalb unabdingbar für das menschliche Zusammenleben. Sie ist damals wie heute eine Kontrastkultur zu der um uns herum dominierenden Kultur (vgl. Halbwachs 1985:267). Wir müssen lernen als Teil dieser Kultur "mitzuspielen", uns einzubringen und mitzugestalten. Wir müssen lernen als solche Mitspieler unser Profil zu kennen und zu leben, um auf diese Weise ein Segen für unsere Stadt zu sein (Jer 29). Wir müssen einfach lernen in einer veränderten Zeit, verändert zu leben ohne gleich Mauern zu ziehen, anstatt Kontroversen auszuhalten. Wir müssen lernen neu dialogfähig zu sein ohne am Ende mit einem klaren Ergebnis da zu stehen. Wir müssen lernen zu warten, offene Dialoge aushalten, Unterschiede ertragen und in all diesen Dingen die souveräne Mission Gottes und seine Herrschaft erkennen. Ich wünsche mir, dass wir als Gemeinschaften, in all unserer Unterschiedlichkeit, darauf bedacht sind der Mission Gottes zu folgen, so dass wir genug damit zu tun haben...die Herrschaft Jesu unter den Menschen anzukündigen und eine alternative vorzuleben, an die man sich auch in Zukunft gerne erinnert!


 Halbwachs, Maurice 1985. Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Berlin: suhrkamp

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Von Gott reden, aber wie?

In der letzten Zeit beschäftige ich mich mit der Thematik was es bedeutet von Gott zu reden. Bei diesem Thema gehen die Meinungen weit auseinander. Auf der einen Seite kenne ich die Ausprägung das Wort "unverfälscht" zu verkündigen, wobei ich mich immer fragte was "unverfälscht" heißt. Wovon geht man hier aus, und was soll genau "unverfälscht" wiedergegeben werden? Der Inhalt? Die Sprache? Die Sprache Luthers? In meinen bisherigen Erfahrungen habe ich festgestellt, dass dies oft sehr subjektiv gesehen und beurteilt wird. Wenn der Name Jesus oder andere typische Wendungen für Sühne und Vergebung nicht genannt wurde, hat man damit das Evangelium schon verfälscht? Hat man das Evangelium verfälscht, wenn man danach strebt neue verbale und nonverbale Ausdrucksweisen zu finden, damit der Inhalt dem Menschen wieder zugänglich wird? Welcher Inhalt? Werte? Kreuz? Mir ist klar, dass ich hier ein Fass aufmache und man über jede einzelnen Gedanken oder Begriffe ganze Aufsätze schreiben könnte. Dennoch scheint mir das Thema sehr brisant zu sein in den uns umgebenden gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen. Denn ich glaube, dass der christliche Glaube die entscheidende Instanz für Orientierung und Veränderung ist. Daher ist es um so wichtiger, dass wir sprachfähig werden den Glauben im Hier und Jetzt zu kommunizieren. Dies ist zunehmend schwieriger, weil das Zielpublikum überwiegend keine Verbindung hat zu dem was wir denken, glauben und natürlich reden. Oft stelle ich fest, dass es als eine Selbstverständlichkeit angesehen wird, dass unsere Adressaten doch eigentlich MEHR verstehen sollten. Auch wenn wir das aktiv nicht so denken spricht die Art und Weise unserer Kommunikation genau diese Sprache. Von dem Hörer wird verlangt etwas Unbekanntes zu ergreifen und zu umarmen.


Es ist daher auch wichtig, dass es nicht um das bloße Vermitteln von Worten und Sprache geht, die wie in einem Lehrraum kognitiv erfasst und nachgearbeitet werden können/sollen. Die reine sprachliche Kommunikation mit der damit verbundenen Erwartung eines Verständnisses seitens der Zuhörer ist Vergangenheit. Wir leben in einer Welt in der die Menschen vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben und wir müssen neu lernen die Menschen mit unserem Anliegen in Berührung zu bringen. Wir brauchen Kreativität. Neue Formen, Ästhetik, Kunst und Poesie. Jeweils mit dem Bewusstsein und dem Ziel, die Menschen ein Stück näher zu bringen zu Christus.
Damit ist das Ziel definiert. Es geht nicht darum, die biblische Botschaft rein sprachlich zu kommunizieren, sondern darum, sie zu kontextualisieren, damit sie dem Menschen hilft sich auf Christus zuzubewegen und ihm näher zu kommen und um die Völker zu Jünger zu machen (Mt 28).
Kontext ist alles und ich wünsche mir, dass wir wie Jesus danach bestrebt sind dem Kontext entsprechend sprachfähig zu werden, durch Sensibilität, Kenntnis der entsprechenden Kultur und mit Kreativität. Nur so sind Wir und Das was wir zu sagen haben für die Menschen relevant.

Montag, 30. November 2015

N.T. Wright: What would it take for the Church...


"Mark calls the church to abandon its imperialistic dreams on the one hand, and its passive noninvolvement on the other, and to become for the world what Jesus was for the world (...) What would it take for the Church (...) to embrace this vision of following Jesus? I long to see Christians in this country standing up to the government on the issues of education, of the arms industry, of this World debt. I long to see the Church standing up to the radical opposition parties on issues like abortion. I long to see the Church lovingly but firmly confronting the media barons who destroy people`s lives and reputations for the sake of a sensational story. But it must be done in the right way. We live in a world of Jameses and Johns, of projected guilt and fear and anger. There`s no point in the Church simply keeping all of that in circulation. We don`t need any more Jameses and Johns, Christians who project their own insecurities out on the world and call it preaching the gospel. We need - and it`s a scary thought - Christians who will do for the world what Jesus was doing."  ~ N.T. Wright, Following Jesus, S.49f

Montag, 28. September 2015

Miteinander - Ein multikultureller Abend in Hemsbach

Was für ein genialer Abend. Fünf bis sechs verschiedene Kulturen. Menschen mit unterschiedlichen religiösen Prägungen und Lebensstilen. Der WakeUp Gottesdienst in Hemsbach zeichnet sich dadurch aus, dass sich hier jeder Zuhause fühlen darf. Hier durfte ich einen Vortrag halten zum Thema "Journey - Ein Leben voller Abenteuer!"


Hinter diesem Gottesdienst steht eine ganz intensive Arbeit. Durch die Woche hinweg gibt es verschiedene Angebote. Gemeinsames Fußballspielen, Kochen und ein Malatelie fördern Beziehungen zwischen Gemeinde und den Flüchtlingen. Teilnehmer erzählten mir von den Aktivitäten und von der Atmosphäre: "Das hier ist Familie." erzählte mir u.a. ein muslimischer Jugendlicher. Ich hatte Gänsehaut als ich diese Geschichten hörte. Integration wird hier gelebt. Freundschaften entstehen und Glaube wird geteilt. Eine integrative Gemeinschaft, die sich dadurch kennzeichnet. dass die Mission Gottes den Alltag gestaltet.

Quelle: http://www2.crcna.org/site_uploads/uploads/crhm/Network/Transformation%20happens.png


Die Menschen sind auf einer Reise. Egal welcher Mensch es ist. Egal welche Herkunft und welche Religion. Wichtig ist dass wir  gemeinsam unterwegs sind und dass wir über Christus nachdenken und näher zu ihm hin wachsen (Eph 4,15). 


Ich bin ermutigt, weil ich sehen und erleben durfte, dass es geht - dass Beziehungen entstehen können und wir keine Angst haben müssen. Ich habe gesehen, dass man mit kleinen Schritten großes erreichen kann. Wichtig ist, dass man beginnt und bereit ist in einen Dialog zu treten und mit Geduld miteinander lebt.